Interview mit Vesanto Melina (deutsch)

English castellano (November 2009)

Vesanto Melina ist Ernährungswissenschaftlerin aus Kanada. Sie ist eine absolute Pionierin auf dem Gebiet der veganen Ernährungswissenschaften und ist Mitautorin von Becoming Vegan und zahlreicher anderer Bücher zum Thema vegetarische und vegane Ernährung, von denen einige bisher ins Französische, Portugiesische und Chinesische übersetzt wurden. Ihre Website: nutrispeak.com

1) Seit wann sind Sie schon vegan?
Ich bin seit 16 Jahren vegan.

2) Was hat Sie dazu veranlasst, vegan zu werden?

Mein Mitgefühl mit den in der Massentierhaltung leidenden Tieren.

3) Eines Ihrer Bücher ist „Food Allergy Survival Guide“. Könnten Sie uns erklären, was Allergien sind und was der Unterschied ist zwischen einer Lebensmittelallergie, einer Lebensmittelunverträglichkeit und einer Lebensmittelempfindlichkeit?

Reaktionen auf Lebensmittel können in vielen verschiedenen Teilen des Körpers auftreten und von einer leichten Reizung bis hin zu lebensgefährlichen anaphylaktischen Reaktionen reichen. In „Food Allergy Survival Guide“ (von Jo Stepaniak und mir, herausgegeben von Healthy Living Publications) unterscheiden wir zwischen Lebensmittelallergie [allergy], Lebensmittelunverträglichkeit [intolerance] und Lebensmittelempfindlichkeit [sensitivity]. Hier die offiziell anerkannten, wissenschaftlichen Bedeutungen dieser Begriffe:

Eine Lebensmittelallergie ist eine Reaktion des Immunsystems unseres Körpers auf ein Lebensmittel oder einen Lebensmittelinhaltsstoff, der als „fremdartig“ angesehen wird.


Eine Lebensmittelunverträglichkeit ist eine negative Reaktion auf ein Lebensmittel, einen Lebensmittelinhaltsstoff oder Zusatzstoff, bei der das Immunsystem nicht beteiligt ist. Normalerweise ist das Verdauungssystem hier beteiligt.


Eine Lebensmittelempfindlichkeit umfasst sowohl Allergie als auch Unverträglichkeiten.


Spezielle Lebensmittel können Syptome von Arthritis, Asthma, ADHS [Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom mit Hyperaktivität], Candida, Zöliakie, Dermatitis, Depression, Verdauungsstörungen, Ermüdingserscheinungen, Migräne u.a. verursachen oder dazu beitragen.


4) Bei immer mehr Menschen werden Allergien diagnostiziert. Ich vermute, dass einige der Tests, die z.B. in der alternativen Medizin verwendet werden, nicht immer sehr präzise oder verlässlich sind. Wie kann man sicher sein, ob man wirklich eine Allergie hat?

Mit einer „Eliminierungs-Diät“, d.h. man schließt Lebensmittel, bei denen man vermutet, dass sie die Auslöser sein könnten, und außerdem alle Top-Allergene für eine bestimmte Versuchsperiode aus der Ernährung aus. In „Food Allergy Survival Guide“ gibt es ein ganzes Kapitel darüber, wie man Lebensmittelempfindlichkeiten identifiziert, einschließlich einer ganz genauen Anleitung, wie man eine „Eliminierungs-Diät“ zusammenstellen kann.

5) Gibt es irgendeine Möglichkeit eine bereits vorhandene Allergie loszuwerden, wenn sich der Gesundheitszustand allgemein verbessert?

Bei manchen Menschen und bei manchen Lebensmitteln und wenn man das Lebensmittel, das die Reaktion auslöst zwei bis zehn Jahre lang vermeidet, kann es dazu kommen, dass der Körper seine Reaktion „vergisst“. Das ist jedoch unwahrscheinlich im Fall von Reaktionen auf Fisch, Schalentiere oder Erdnüsse und diese Art der Wiedereinführung in die Ernährung sollte niemals von Menschen versucht werden, bei denen anaphylaktische Reaktionen wahrscheinlich sind. Indem man die Gesundheit des Verdauungstraktes verbessert, kann man eventuell manche Lebensmittelunverträglichkeiten abmildern.

6) Stimmt es, dass typische Allergene, wie z.B. Milchprodukte Allergien auslösen können und zwar nicht nur auf Milchprodukte, sondern auch auf andere Lebensmittel?

Nein.

7) Gluten und Weizenprotein haben in bestimmten Kreisen einen ziemlich schlechten Ruf. Gibt es für Menschen, die nicht auf Gluten allergisch sind, irgendeinen Grund, Gluten zu vermeiden?

Nein.

[Vesanto Melinas Vortrag zum Thema Allergien beim IVU-Kongress in Dresden 2008:
youtube]